Badische Neueste Nachrichten | Karlsruhe | KULTUR | 23.05.2020
Die Sprache der Kunst
Roland Huss ist seinen eigenen Weg gegangen. Mit seinen Gemälden und Skulpturen, die geometrische Gestaltung und organische Naturformen vereinen, hat er nicht nur sein handwerkliches Geschick bewiesen, sondern auch gezeigt, dass es nicht immer eine Kunsthochschule braucht, um die innere Schöpferkraft zu befreien. Roland Huss war Legastheniker. Doch er beherrschte die Sprache der Kunst. Am 20. Mai ist der in Durlach und Weingarten tätige Künstler im Alter von 66 Jahren seinem Krebsleiden erlegen.
„Die Legasthenie war prägend für sein gesamtes Leben“, weiß Heidrun Huss, die ihren Mann 27 Jahre begleitet hat, bevor er am 20. Mai „friedlich und zufrieden, wie er es sich wünschte“ gestorben ist. Nachdem Roland Huss die Schule aufgrund seiner Lese- und Schreibschwäche – ein Stigma, das er Zeit seines Lebens zu verbergen suchte – mühsam hinter sich gebracht hatte, brach mit der Ausbildung zum Schlosser ein lichter Lebensabschnitt an. Denn dort wurde Huss für sein handwerkliches Talent geschätzt und gewürdigt. Huss ist diszipliniert. Und er kann anpacken. Als Gewichtheber beim KSV Durlach bringt er es bis in den Leistungskader, am Wochenende verdient er sich auf dem Bau etwas dazu. Das Malen ist zunächst nur ein Zeitvertreib. Die ersten Bilder malt Huss als Schweißer im Arbeiterwagon der Deutschen Bahn. Die Freifahrtscheine nutzt er für Fahrten nach Dänemark, wo er seinem Faible für Aquarellmalerei frönen kann.
Roland Huss tastet sich allmählich in die Karlsruher Kunstszene vor: Als Gaststudent in der Kunstakademie, in der Orgelfabrik,
als Ensemblemitglied der Dreigroschenoper im Sandkorn, als Statist im Staatstheater. Doch für Huss ist die Kunst mehr als nur ein Hobby. Und so fasst er den Entschluss, davon zu leben. Anfang der 80er Jahre zieht er in die IWKA, „seine Akademie“, wie
der Autodidakt sie zu nennen pflegt. In seinen aufwendig geschnitzten Holzskulpturen schreibt Huss dem Naturstoff mal schwungvolle, mal statische, stets fein komponierte Formen ein, während seine an mikroskopische Aufnahmen erinnernden und bisweilen hypnotisch wirkenden Acryl- und Aquarellgemälde ihre Formen dagegen von der Natur zu empfangen scheinen. Nach dem Abriss der Lichthöfe setzt sich Huss für die Einrichtung der Ateliers hinter dem Hauptbahnhof ein. Und er ist es auch, der den Anstoß für die ersten offenen Ateliers gibt.
2015 bezieht Roland Huss sein Atelier in Weingarten. Ein altes Industriegebäude, umringt von Natur und anderen Künstlern. „Ein Glücksfall in der Not“, sagt seine Frau Heidrun. Noch bis Anfang März hat der disziplinierte und willensstarke Künstler in seinem Atelier gearbeitet. Philipp Fess

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